Nach Germanwings-Absturz: psychische Erkrankungen nicht automatisch ein Sicherheitsrisiko
vom Montag, 14. März 2016Fachgebiet: Neurologie, Sonstige
Kurz vor dem Jahrestag der Germanwings-Katastrophe wird in der Öffentlichkeit erneut der Zusammenhang von Gewalt und psychischen Erkrankungen diskutiert. Wissenschaft und Statistik belegen jedoch, dass psychisch erkrankte Menschen generell nicht gefährlicher sind als gesunde. Wichtig ist aber, dass psychische Erkrankungen im Rahmen des innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements – gerade in sicherheitssensiblen Berufen – stärker in den Fokus rücken.
Nach schweren Gewalttaten geraten Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Öffentlichkeit immer wieder unter Generalverdacht – zu Unrecht, wie DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth erklärt: „Psychisch erkrankte Menschen sind viel häufiger Opfer von Gewalttaten als dass sie solche selbst begehen. Unzählige Studien und Statistiken belegen, dass von ihnen generell keine erhöhte Gefahr ausgeht. Zwischenmenschliche Gewaltanwendungen sind ganz überwiegend auf Menschen zurückzuführen, die nicht an einer psychischen Erkrankung leiden. Nur äußerst selten können bestimmte Krankheitsbilder in Verbindung mit besonderen Einflussfaktoren zu Gewalttätigkeit führen. In diesen Einzelfällen ist eine frühzeitige gründliche Diagnostik und engmaschige Behandlung besonders wichtig.“
Die pauschale Auffassung, dass alle psychisch erkrankte Menschen gefährlich sind, trägt jedoch wesentlich zu ihrer Stigmatisierung bei. Viele Bürger begegnen den Betroffenen mit Skepsis, haben Angst und möchten sie zum Beispiel nicht als Nachbarn oder Arbeitskollegen haben. Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen ihre Erkrankung verbergen und eben keine – oder erst sehr spät und nur sporadisch – psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
„Es entsteht ein Teufelskreis. Denn die unzureichende Behandlung ist der zentrale Grund, warum Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen in seltenen Fällen überhaupt gewalttätig werden. Je eher und je kontinuierlicher wir diese Krankheitsbilder behandeln, desto größer sind die Chancen auf einen Therapieerfolg – und desto kleiner ist das Gewaltrisiko. Doch Vorurteile in der Bevölkerung und eine oftmals undifferenzierte Berichterstattung in den Medien können die Betroffenen davon abhalten, sich in professionelle Behandlung zu begeben“, stellt Dr. Iris Hauth fest.
Die DGPPN betont deshalb die Wichtigkeit einer verantwortungsbewussten Aufklärung durch Behörden, Medien und Fachexperten. „Zudem müssen die Anstrengungen für eine qualitativ hochstehende Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen intensiviert werden“, so Dr. Iris Hauth weiter. „Gleichzeitig müssen wir darüber nachdenken, wie sich in Berufsfeldern mit unmittelbarer Verantwortung für Menschen flächendeckend ein innerbetriebliches Gesundheitsmanagement etablieren lässt, das psychosoziale Risiken und psychische Erkrankungen noch schneller und gründlicher erfasst, bei Bedarf sofort therapeutische Maßnahmen einleitet und Unterstützung anbietet.“
Pressemeldung vom 10. März 2016, www.dgppn.de/presse/pressemitteilungen/
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